Mein Vergaser tropft-warum?
Mein Vergaser tropft (kein Defekt)
Alle Vergaser, mit denen wir es in der Oldtimerei zu tun haben, sind nicht als „dicht“ konstruiert.
Belegt wird dies zum einen an den ungeliebten Schmutzansammlungen in Vergasernähe vieler Fahrzeuge,
als auch an Konstruktionsdetails wie Ableitblechen/ Auffangwannen mit Ablauf.
Zu sehen bei DKW RT Modellen, Ardie, Combimot mit Vergaserbecher sowie bei vielen Automobilen,
bei denen unter den Vergasern Abtropfbleche montiert sind.
Begründet ist dies zum einen dadurch, dass der Vergaser an mehreren Stellen Luft benötigt.
Zum Beispiel braucht die Schwimmerkammer eine Belüftung, das Leerlaufsystem, ein eventuell vorhandenes
Startsystem und schräg montierte Vergaser haben oft noch Abtropflöcher
(Zündapp S Modelle, Zündapp Schrägdüser, Horex und viele Amal Vergaser).
Das Haupt/ Nadeldüsensystem bekommt ebenfalls Luft.
Diese wird oft im Filterbereich des Vergasers unter dem eigentlichen Durchlass angesaugt und
diese Bohrung liegt demnach relativ weit unten.
Hier wird die eigentliche Mischluft angesaugt- es liegt also bei der Fahrt immer ein ordentlicher Unterdruck an.
Aber im Stand entsteht hier kaum Unterdruck, so dass auch hier Benzin nach aussen gelangen kann.
Dieses sickert dann durch den Filteranschluss, der ja nicht wirklich dicht ist oder sammelt sich im Filter,
bis dieser tropft.
Nach Antritt der Fahrt wird dieses Benzin jedoch anteilig wieder eingesaugt,
sofern genug Luftströmung im unteren Bereich des Filters wirken kann.
Ältere Bing Start-Vergaser hatten einen Startkolben, der das Benzin unten nicht abstellte,
sondern nur den Zugang des Unterdrucks sperrte.
Hier konnte auch immer etwas Benzin ins Hauptsystem gelangen oder sich sammeln.
Später wurde nur noch der Startpilz verwendet, der unten ein Gummi zum dichten Verschliessen des Startbenzin-Zulaufes hat.
Wir verwenden nur diesen.
Aber: eine zu knappe Einstellung des Startzuges bewirkt mitunter, dass dieser in einer Kurve durch den Lenkeinschlag etwas angehoben wird.
Dieser Zug sollte bei Nichtbetätigung ein Spiel von mindestens 2mm haben!
Desweiteren ist der heutige Sprit ein grosses Problem.
Dieser ist wesentlich dünnflüssiger, leichter und adhäsiver als das Benzin, für das unsere Vergaser mal konstruiert wurden.
Die Adhäsion bedingt, dass sich Benzin „hochzieht“, so ähnlich wie es der Kapilareffekt bei Pflanzen macht.
Verdunstendes Benzin „zieht“ weiteres nach sich.
Hinzu kommt dass eine minimale Undichtigkeit des Schwimmerventils hierdurch einen wesentlich
grösseren ungewollten Nachteil haben kann.
Die Vergaser-Schwimmerventile sind und waren seit jeher grundsätzlich nicht als absolut dicht anzusehen.
Dies ist ja der Grund dafür dass alle alten Motorräder und Autos einen Benzinhahn haben.
Der Benzinstand des Vergasers ist durch die teilweise starke Vibration oft nicht wie es wünschenswert wäre oder erdacht wurde.
Hierbei ist noch zu beachten, dass es 2 „Spritstände“ gibt:
A---Den statischen: Im Stand messbar (in mehreren Versuchen zu ermitteln).
B---Den dynamischen: Im Fahrbetrieb in verschiedensten Versorgungs-Situationen:
Bremsen, Beschleunigen, Schräglage usw.
Also ein fast nicht reproduzierbarer und im Betrieb kaum messbarer Stand.
Etwas Theorie zur Gemsichbildung:
Zu guter Letzt haben wir da noch die sogenante Gassäule.
Durch den alternierenden Prozess beim Ansaugen gibt es eine theoretische Luft-Benzin-Gemischmenge,
die im Ansaugbereich/ Vergaser immer hin- und her wandert, ohne sich wirklich fortzubewegen.
Dies bedingt bei Schliessen des Ventils (bzw Einlassschlitz beim Zweitakter),
dass sich diese Gassäule (Beharrungseffekt) erstmal weiter Richtung Brennraum bewegt und
gegen das mittlerweile geschlossende Ventil „prallt“, sich hierdurch kurz verdichtet (Gas!),
wieder entspannt und in entgegengesetzter Richtung wieder zum Vergaser zurückströmt.
Hierbei wird das Gemisch wieder mit Benzin durch das Düsensystem angereichtert (Strömung).
Nach Öffnen des Ventils gelangt diese Gasmenge erneut durch das Düsenesystem,
erfährt wieder eine Anreichung und gelangt dann erst beim Ansaugtakt bis in den Zyinder.
Soweit die Theorie.
Es entstehen aber immer wieder Zeitfenster in denen das Gemisch extrem gesättigt ist und
ein Druckwechsel kann zur Folge haben dass das gelöste Benzingas wieder zu Benzinflüssigkeit kondensiert.
So ungefähr zumindest erklärt sich, warum ein Vergaser innen trotz der sehr geringen Benzinmenge,
die in die doch anteilig riesige Luftmenge gegeben wird, beim öffen patschnass erscheint.
Auffallende Modelle:
Speziell die Bing BMW Vergaser der Baujahre nach 1950 haben einen stark erhöhten Benzinstand,
damit diese Motoren einen besonders niedrigen Leerlauf haben,
gut ansprechen und gut starten ohne Startvergaser-Einrichtung.
Hierbei fallen besonders die Modelle R25 bis R27 auf, R26 und 27 haben die meisten Probleme.
Diese haben den Zulauf von unten, der sich mit der Zeit lockern kann (fest eingegossen).
Hierzu haben wir aber extra weiche Dichtungen und einen Adapterring entwickelt,
der den Flächendruck des Zulaufteils nicht mehr auf den (losen) Messingeinsatz drückt,
sondern seinen Druck gegen das Zinkgehäuse gibt und daher nach aussen wieder abdichtet.
Bei diesen Modellen kommt mitunter ein Schwimmer 35-073 zum Einsatz,
der das Spritniveau durch sein höheres Gewicht (11 statt 7 Gramm) noch weiter ansteigen lässt.
Die Leerlauf-Gemischschraube dieser Modelle hat eine Bohrung in Freie und 2 Filterhülsen.
Die hier angesaugte Zusatzluft ersetzt die vorher (bis ca 1955) üblichen Nebenluft-Schrauben,
die ansaugseitig unter dem Filteranschluss lagen (bei KS601 bis zum Bauende).
Diese liegen nur unerheblich über dem Benzinpegel und sind daher prädestiniert
Benzin nach aussen gelangen zu lassen.
Es braucht viel Akribie, Erfahrung und Experiementierwille diese Vergaser dazu zu bringen,
weniger Benzin herauszulassen.
Mancher Besitzer geht dazu über, den Benzinstand mit extra Kerben in der Schwimmernadel zu senken.
An die Leerlauf-Gemsichschraube kann statt der Filterhülsen ein Schlauch-Ringstück (Bing 34-021)
gebaut werden, wie es bei der BMW Isetta serienmässig war.
Hier kann ein Schlauch aufgesteckt weden, der überschüssiges Benzin nach unten auf den Boden ableitet.
Wieviel Benzin darf dem Vergaser entkommen?
Tja auch hier gibt es leider keine verbindlichen Angaben.
Wir rechnen grob dass der Vergaser ca max 6 Tropfen/ Minute im Stand bei offenem Benzinhahn abgeben darf.
Direkt nach dem Tupfen natürlich wesentlich mehr.
Je nach Vergaserkonstruktion, Vergasergrösse, Einbaulage, Benzinstand im Tank,
Zulaufgeschwindigkeit, Vibration, Startverhalten usw ist mit verschiedensten Inkontinenzen zu rechnen.
Schmutz als Ursache:
Also zunächst geht man ja davon aus, dass ein Vergaser als Erstes gut gereinigt wird, sobald es Probleme gibt.
Vergaser, die bei uns in Bearbeitung waren, sind innen „eigentlich“ blitzblank.
Aber bei einem Vergaser gehts halt um kleinste Schmutzpartikel.
Zum einen kann die sehr kleine Leerlaufdüse verstopfen.
Hierbei wäre ein Sandkorn schon riesig! Aber es kann schon ein kleiner Span ausreichen,
der beim Einschrauben einer Düse entsteht oder ein Fussel von einem Dichtring.
Fehlerbild: ZEITWEISE überlaufendes Benzin:
Also immer wenn es um unregelmässig auftretendes Überlaufen eines Vergasers geht liegt das entweder an einer verbogenen Schwimmernadel, die nur blockiert, wenn sie in einer bestimmten Stellung steht oder es liegt am Schmutz.
Bei Vergasern mit Zulauf von unten kommt das selten vor.
Hier ist unten in der Kammer meist ein kleiner „Vulkan“ realisiert in dem das Schwimmerventil sitzt.
Dieser hält herumschwimmenden Bodensatz davon ab in das Ventil zu gelangen.
Was aber viele nicht wissen: Vergaser mit Benzinzulauf von OBEN haben dieses Problem gerne mal.
Es ist aber eben nicht der Schmutz im Ventilbereich, denn der ist eher unempfindlich.
Sondern Schmutz unten in der Nadelführung!
Auch hier gibts den kleinen Vesuv, aber er ist unten zu und lässt nicht mehr raus,
was einmal hineingelangt ist.
Wenn sich dann ein Schmutzpartikel zwischen Nadel und der gegossenen/ gebohrten Führung verirrt,
hat man oft diese merkwürdigen Zufallsfehler.
Daher bei solch einem Fehlerbild und Zulauf von oben immer als Erstes diese Bohrung“räumen“.
Man kann hier einen 0,5mm grösseren Langbohrer verwenden (gibts im Shop),
denn die Führung ist bei Bing meist 0,5mm grösser gebohrt als der Nadeldurchmesser.
Nur nicht durchbohren! Und immer mit Druckluft ausblasen!
Ein Oldtimervergaser braucht Benzin, Luft und Druckluft!